Triebfeder 800jähriger Weinbaukultur
Weingut Graf von Kanitz
Es ist Frühling. Im unteren Rheingau stehen die vereinzelten Zierkirch- und Mandelbäume schon in voller Blüte und setzen rosafarbene Akzente in den noch blass-grünen Weinbergs Hängen. Die Reben sind angeschnitten und gebogen. In der für Weinberge typischen Rasterordnung warten sie auf die erste Wärmeperiode, um dann mit Macht austreiben zu können.
Jens Pape streift durch die Pfaffenwies, einer uralten Lorcher Lage mit idealer Ausrichtung nach Südwest. Auf ihren Schiefer- und Quarzitböden wachsen große Weine mit viel Spiel und pikanter Säure. Jens Pape kontrolliert den Stand der Vegetation. Sein Augenmerk dient heute besonders dem Zustand der Böden und ihrer Begrünung. Heute wird er entscheiden, ob und welche Bodenarbeiten in den nächsten Tagen und Wochen zu erledigen sind. Jens Pape ist Betriebsleiter des Traditionsweinguts Graf von Kanitz in Lorch am Rhein.

Gutsleiter Jens Pape inspiziert den Austrieb im Lorcher Pfaffenwies
VDP- und Ecovin-Winzer
Die Wurzeln des Weinguts gehen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Ursprünglich im Besitz der Herren von Staffel gehörte es bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts den Freiherrn vom Stein. 1926 ging der Weinbaubetrieb im Zuge der Erbfolge an die Grafen von Kanitz, die heutigen Inhaber des Lorcher Weinguts über.
Seit fast 50 Jahren werden hier die Weine bewusst umweltschonend angebaut. Das Weingut Graf von Kanitz gehört seit 1992 schon dem Bundesverband Ökologischer Weinbau „Ecovin“ an. Das bedeutet bekanntlich den grundsätzlichen Verzicht auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie Herbizide.
Die Grafen von Kanitz sind übrigens seit der Übernahme des Lorcher Betriebs auch VDP-Winzer. Der „Verband der Prädikatsweingüter Deutschlands“ versteht sich als Allianz für Weinqualität und als Bollwerk gegen alles, was den Wein austauschbar, einförmig und künstlich macht. Für den jungen Jens Pape ist die Verantwortung für die Qualität des Weins bei Erhalt der langen Tradition des mittlerweile auf 13,5 Hektar angewachsenen Betriebs durchaus keine Bürde, sondern Herausforderung und Ansporn zugleich.
Der gebürtige Dortmunder hat sein Faible für den ausgesprochen naturnahen Beruf des Weinbauern bei Freunden in Südtirol gewonnen. Gleich nach dem Abitur startete Jens Pape in Geisenheim das Studium „Weinbau und Önologie“, das er 2014 mit dem Bachelor abschloss. Zuvor hatte er im Lorcher Weingut Graf von Kanitz bereits praktiziert und sich in den Semesterferien dort auch den einen und anderen Euro verdient. Dass der frischgebackene Betriebswirt in Sachen Weinbau dann von dem damals scheidenden Leiter des Lorcher Weingut für dessen Nachfolge angesprochen wird, hat nichts mit Zufall zu tun.
"Schmeckbarer" Boden
So ist die Lese des Weinjahrgangs 2014 seine erste als Betriebsleiter bei Graf von Kanitz. Die kontinuierliche Steigerung der Qualität ist das erste Ziel. Dafür hat er von Sebastian Graf von Kanitz freie Hand bekommen. "So einen Betrieb musst du führen, als wäre es dein eigener. Sonst wird das nichts", lässt sich das adlige Familienoberhaupt gerne zitieren. Der Graf selbst kümmert sich ansonsten ganz um die Verwaltung seiner Schlösser und Liegenschaften im westfälischen Cappenberg und im rheinland-pfälzischen Nassau.
Der ambitionierte Jungwinzer Pape will den Boden „schmeckbar“ machen. Der Außenbetrieb und die direkte Arbeit mit und an den Reben sind ein persönliches Steckenpferd. Die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern und langfristig zu erhalten betrachtet er als besondere Herausforderung. Das jeweilige Mikroklima in den Weinbergen gilt es zu berücksichtigen, wenn er sich über die Laubarbeiten Gedanken macht. So sucht er beispielsweise das richtige Verhältnis von Laubwandhöhe und Gassenbreite oder von Blatt zur Fruchtmenge. Qualitätssteigernde Einzelheiten, die durchaus eine eigene Stilistik des von Kanitz Weins erkennen lassen.

Lorch Zero
2015 Ortswein Riesling
Weingut Graf von Kanitz
7,60 €
inkl. MwSt.
0,75l · (10,13 €/1l)
zzgl. Versand
enthält Sulfite
Wein-Philosophie
Die Einzellagen werden natürlich alle separat ausgebaut. Im Keller arbeitet der junge Weinmacher im Zeichen des Adels ausschließlich mit aromaneutralen Reinzuchthefen. Nach scharfer Vorklärung dürfen die Weine lange auf dem Vollhefelager verweilen, bevor sie dann direkt abgezogen und auf die traditionelle „Rheingau-Flöten“ gefüllt werden. Die Rieslinge sind zuvor in temperaturgesteuerten Edelstahltanks, die Roten im Holzfass herangereift. Die Grauburgunder lagen in mehrfachbelegtem Holz.
In Zukunft kommen die Holzfässer übrigens aus dem Familien eigenen Forst. Gerade haben die Grafen von Kanitz für neue Fässer Eichen in Nassau und Cappenberg schlagen lassen, die nun reifen und nach 5 Jahren verarbeitet werden können. Die unterschiedlichen Eigenschaften des Holzes sollen dann später einmal einen weiteren Betrag zum ohnehin schon eigenständigen Charakter der von Kanitz Weine leisten. In den Wäldern der Adelsfamilie findet der erst 28 Lenze zählende Jungwinzer dann auch ab und an Entspannung bei der Jagd, wenn er nicht gerade die Joggingschuhe für den gelegentlichen Fitnesslauf gegen die Uhr quer durch Lorcher Gemarkung geschnürt hat.
Überhaupt ist Pape häufig in der Natur und insbesondere in den gutseigenen Weinbergen unterwegs. „Ein Indikator für zu dichte Böden ist die Anzahl des gelbblühenden Löwenzahns“, erklärt uns Jens Pape beim Spaziergang in der sieben Hektar umfassenden Pfaffenwies, aus der auch unser für die WEIN-KISTE ausgewählter Wein, der 2015 Lorch Riesling Zero stammt. Deshalb wird er sich bei diesem Traditionsweinberg in den nächsten Tagen für eine minimale Bearbeitung der Zeilen entscheiden, die die Böden nicht weiter verdichtet und den nachhaltigen Aufbau der so wichtigen Humusschicht fördert. Auf das dort noch lange ein so aromatischer und zugleich typischer Wein wie der „Zero“ wachsen kann.
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